Gefahrenlage für die Community Die Angriffe auf LGBTIQ+ in Berlin seitens Extremisten nehmen zu – und werden immer gefährlicher
Der Verfassungsschutz in Berlin warnte jetzt vor der steigenden Gefahr durch Extremisten in der Hauptstadt, insbesondere für die LGBTIQ+-Community. Befeuert wird der Hass vor allem von Islamisten und Rechtsextremisten. Auch generell verzeichnet die Behörde dabei einen deutlichen Anstieg bei der Gefahrenlage, die Angriffe kommen dabei von beiden politischen Rändern, links wie rechts. Die größte Gefahr gehe allerdings vom islamistischen Terror aus.
Radikalisierung nimmt zu
Zu eigen ist sowohl Rechts- wie Linksextremisten als auch Islamisten, dass sich alle drei Gruppen immer weiter radikalisieren. Die Zahl der Islamisten hat 2024 weiter zugenommen, in der Regenbogenhauptstadt sind derzeit offiziell 2.440 Personen verzeichnet. Ebenso ihre Anhängerschaft ist größer geworden. „Auffällig ist, dass sich die Radikalisierungsverläufe der Täter – also die Zeitspanne von einem ersten Kontakt mit islamistischem Gedankengut und einer Gewalttat – in den letzten Jahren enorm verkürzt haben", so Berlins Verfassungsschutzchef Michael Fischer.
Zudem verzeichnet der Verfassungsschutz in Berlin derzeit 1.450 Rechtsextremisten sowie 3.800 Linksextremisten. „Bemerkenswert war die Beteiligung von Teilen des linksextremistischen Spektrums an israelfeindlichen Aktionen und Protesten", so Innensenatorin Iris Spranger (SPD), die zudem betonte, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen in allen drei Gruppierungen „zunehmend provokativ, aggressiv und auch gewalttätig“ werden.
Soziale Medien als Anheizer
Eine Schlüsselrolle mit Blick auf die Radikalisierung spielen dabei laut Spranger die sozialen Medien – jener Ort, wo auch Hass und Hetze gegen LGBTIQ+ immer weiter zunehmen. Immer öfter nutzen auch Rechtsextreme die digitalen Netzwerke, um sich gezielt zu Störaktionen für Pride-Events und CSDs zu verabreden. Dazu komme überdies: „In virtuellen Gruppen in Sozialen Medien werden gezielt Jugendliche und junge Erwachsene in Kontakt mit der rechtsextremistischen Ideologie gebracht und für realweltliche Aktionen mobilisiert", so Spranger weiter.
LGBTIQ+ als „Gefahr für tradierte Werte“
Gerade im Bereich LGBTIQ+ hat sich die Sachlage im letzten Jahr demnach so verschärft und die Fälle so stark zugenommen, dass es erstmals ein Sonderkapitel darüber im Verfassungsschutzbericht 2024 gibt. „Im verfassungsfeindlichen Spektrum werden homophobe, trans- und queerfeindliche Vorurteile insbesondere bei Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten sowie in der salafistischen Szene geschürt. Die Stigmatisierung der LGBTQIA+-Community ist Ausdruck der jeweiligen verfassungsfeindlichen Ideologie und wird offen propagiert. Sowohl im traditionellen Rechtsextremismus als auch in der verfassungsschutzrelevanten ´Neuen Rechten´ gelten Angehörige der LGBTQIA+-Community als eine Gefahr für vermeintlich tradierte Werte, wie etwa ein heterosexuelles Familienbild, aber auch als eine Gefahr für Kinder, die durch Homosexuelle, queere Menschen und Transpersonen in ihrer sexuellen Orientierung und Identität beeinflusst und `frühsexualisiert` werden würden“, so die zentrale Aussage im aktuellen Bericht.
Darüber hinaus hält der Verfassungsschutzbericht fest: „Unter Salafistinnen und Salafisten werden Homosexualität, queeres Leben und Transgeschlechtlichkeit als ´Sünde´ bezeichnet. In diesem Sinn werden sie als Bedrohung für die Integrität der eigenen islamistischen Ideologie empfunden und sind auch Teil salafistischer Verschwörungsnarrative.“ Dazu resümiert der Bericht außerdem: „Diskriminierungen der LGBTQIA+-Community sind heute immer noch alltäglich. Auch verbale und tätliche Übergriffe auf Angehörige der Community geschehen in Berlin regelmäßig.“
Gefahrenlage bei CSDs und Pride-Paraden
Ein Blick auf die eben startende CSD-Saison lässt dabei weitere Befürchtungen und Bedenken aufkommen. „Die Vielzahl von Angriffen auf CSD-Veranstaltungen im Berichtsjahr haben gezeigt, dass Homosexuelle, queere Menschen und Transpersonen stärker in den Fokus der rechtsextremistischen Szene geraten. Neben Homosexuellen, queeren Menschen und Transpersonen spielt auch der Staat als Feindbild eine Rolle, da Gesetzesänderungen hin zu einer inklusiveren Gesellschaft den Vorstellungen einer exklusiven und völkischen Weltanschauung entgegenstehen.“
Der Hass auf Homosexuelle und queeres Leben sei dabei auch Teil der salafistischen Ideologie, insbesondere bei muslimischen Jugendlichen. „Hinzu kommen offene Gewaltaufrufe jihadistischer Gruppen wie ´Al-Qaida´ und des IS gegen Homosexuelle, queere Menschen und Transpersonen, die auch in der salafistischen Szene Berlins zirkulieren. Damit verbunden ist die Gefahr, dass aus dieser Propaganda Beleidigungen, Bedrohungen und auch gewalttätige Angriffe gegen diese Menschen resultieren.“ Letzte Woche musste bereits der CSD Gelsenkirchen aufgrund einer „abstrakten Gefahrenlage“ abgesagt werden. Der Verband Queere Vielfalt forderte daraufhin mehr Sicherheit für Pride-Teilnehmer in diesem Jahr.