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Der Blick auf Homosexuelle
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Der Blick auf Homosexuelle Warum gibt es noch immer so viele Vorurteile gegenüber Schwulen und Lesben? Und warum bewerten Männer Homosexualität anders als Frauen?

ms - 19.02.2025 - 12:00 Uhr
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Zwei neue Studien der Universität Genf untersuchten, wie heterosexuelle gläubige und nicht religiöse Menschen Homosexuelle bewerten. Kurz gesagt: Je stärker der Glaube, desto seltener werden wissenschaftliche Fakten über Schwule und Lesben positiv anerkannt, insbesondere der Tatsache, dass Homosexualität im biologischen Sinn natürlich und normal ist. 

Fakten vs. Vorurteile 

Mehr noch: Die meisten der rund 300 heterosexuellen Befragten interpretierten selbst wissenschaftliche Fakten eigenmächtig so, dass sie mit ihren vorab gefällten Überzeugungen übereinstimmten. Wurde den Probanden so beispielsweise wissenschaftliche Grundlagen über Homosexualität vorgelegt, konnten weniger religiöse Menschen dies als „natürliche biologische Variation“ ansehen – stark religiöse Personen indes betrachteten die Daten als Hinweis auf eine „biologische Anomalie bei homosexuellen Personen“ und zeigten daraufhin eine negativere Einstellung gegenüber Homosexualität. Wenn Heterosexuelle indes akzeptieren, dass die sexuelle Orientierung eine normale biologische Gegebenheit ist, haben sie auch generell eine positivere Grundeinstellung zu Schwulen und Lesben. 

„Religiosität korreliert in allen großen Weltreligionen durchgängig mit sexuellen Vorurteilen. In vielen Religionen wird Heterosexualität seit jeher als natürlich angesehen, während gleichgeschlechtliche Verhaltensweisen als sündige oder unnatürliche Abweichungen bezeichnet werden. In westlichen Kontexten, in denen das Christentum vorherrscht, wird gleichgeschlechtliches Verhalten als unvereinbar mit den christlichen Lehren stigmatisiert, und religiöse Menschen neigen im Vergleich zu nicht-religiösen Menschen zu größeren sexuellen Vorurteilen“, so die Studienleiter. Auch wenn der breite wissenschaftliche Konsens inzwischen von natürlichen biologischen Einflüssen wie Genetik und Hormone als Ursache von Homosexualität ausgeht, gebe es noch immer Personen, die von einer „antrainierten Homosexualität“ ausgehen, geprägt durch frühkindliche Erfahrungen oder kulturelle Aspekte. Diese Sichtweise ist gerade auch deswegen besonders gefährlich, da sie als vermeintlich argumentativer Nährboden für menschenverachtende, zumeist christliche „Homo-Heilungen“, den Konversionstherapien, dient. 

Männer vs. Frauen

Eine weitere Besonderheit belegten die zwei Schweizer Studien zudem: Es existiert ein eklatanter Unterschied in der Einstellung gegenüber Schwulen und Lesben zwischen Männern und Frauen. „Die Forschung zeigt immer wieder, dass heterosexuelle Männer im Vergleich zu heterosexuellen Frauen größere sexuelle Vorurteile haben, insbesondere gegenüber homosexuellen Männern. Diese Diskrepanz bleibt bestehen, obwohl sich die Einstellung gegenüber sexuellen Minderheiten insgesamt verbessert hat“, so die Forscher. 

Frauen fühlen sich nur sehr selten von Lesben bedroht und erleben im Umgang mit Homosexuellen daher normalerweise keine Bedrohung ihrer Identität – ganz anders bei den heterosexuellen Männern; geprägt von gesellschaftlichen Vorstellungen empfinden sie Schwule noch immer oftmals als Bedrohung: „Die geschlechtsspezifische Sozialisation ermutigt heterosexuelle Männer, ihre Identität in Opposition zu schwulen Männern zu definieren, was sie dazu veranlasst, psychologische Distanz aufzubauen und defensiv zu reagieren, wenn ihre Männlichkeit oder Heterosexualität als bedroht empfunden wird. Folglich sind die verstärkten sexuellen Vorurteile von Männern auf eine stärkere Motivation zurückzuführen, sich sowohl auf persönlicher als auch auf Gruppenebene von schwulen Männern abzugrenzen.“

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