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Streit um eine Regenbogentreppe
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Streit um Regenbogentreppe Schwierige Diskussion in Italien: Was darf im Namen von Vielfalt und Akzeptanz von Schülern verlangt werden?

ms - 05.03.2025 - 14:00 Uhr

Sturm im Wasserglas? Mitnichten! Ein Vorfall an einem Gymnasium im italienischen Verona sorgt in diesen Tagen für eine Grundsatzdebatte über LGBTIQ+ und könnte dazu beitragen, die Abneigung in konservativen Kreisen des Landes sowie der Regierung gegenüber der Community weiter massiv anzuheizen. 

Streitfall Regenbogentreppe 

Was ist passiert? Gegen einen dreizehnjährigen Schüler eines staatlichen Gymnasiums in Verona wurde im Februar dieses Jahres ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil dieser sich geweigert hatte, eine Treppe im Schulgebäude zu benutzen, dessen einzelne Stufen in den Farben des Regenbogens bemalt sind. Zunächst wollte der Junge deswegen eine andere Treppe hinauf zum Theatersaal nehmen, diese ist aber nur für Lehrer gestattet. Schlussendlich kletterte er deswegen über das Geländer in das nächst höhere Stockwerk. 

Die Schulleitung hat die Regenbogentreppe mit einzelnen Sätzen und Schlagworten versehen, um damit aufzuzeigen, dass sie sich für LGBTIQ+-Rechte starkmachen will. So waren unter anderem Begriffe wie Respekt, Toleranz, Empathie und Vertrauen zu lesen, auf der obersten Stufe prangt der Spruch: „Liebe ist Liebe, sonst nichts“. Die besondere Treppe war letztes Jahr am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie eingeweiht worden. 

Eskalation am Gymnasium

Das Verweigern des 13-Jährigen hatte ein Nachspiel – die betreffende Lehrerin der Klasse brachte den Schüler kurzerhand zum Schulleiter, dieser informierte schlussendlich den Vater. Dem gegenüber erklärte der Jugendliche, er weigere sich, die Treppe zu benutzen, weil er die „Ideen der LGBTIQ+-Bewegung“ nicht teile. Damit habe der Schüler laut dem Schulleiter zugegeben, homophob zu sein. Außerdem hätte er mit seiner Kletteraktion andere Schüler gefährden können. 

Der Vorgang zog weitere Kreise nach sich, in einem Treffen zwischen Schulvertretern und Eltern erklärte der Vater, dass weder er noch seine Frau homophob seien, er aber trotzdem der Meinung sei, dass die LGBTIQ+-Ideologie nichts in einer Schule zu suchen habe. Sein Sohn habe niemanden beleidigt oder angegriffen, sondern sich lediglich geweigert, als symbolischen Akt die Treppe zu benutzen. Zudem erklärte der Vater anschließend schriftlich: „Wir befinden uns in einem demokratischen Staat, der mehrheitlich katholisch ist und in dem der katholische Religionsunterricht vorgesehen ist: Wenn ein Schüler jedoch nicht daran teilnehmen möchte, ist er nicht dazu verpflichtet, dies zu tun. Ich verstehe also nicht, warum andererseits ein Schüler – zumal in einer staatlichen Schule – gezwungen werden soll, eine Regenbogentreppe zu besteigen. Ich glaube, dass sich auch andere Schüler unwohl fühlen, wenn sie diese Treppe benutzen, aber sie hatten nicht den Mut meines Sohnes.“ 

Landesweite Debatte – wie weit geht Toleranz? 

Der Fall schlug daraufhin hohe Wellen und gelangte vom Schulamt der Provinz Verona über den früheren Minister Carlo Giovanardi bis hinauf zum aktuellen italienischen Bildungsminister Giuseppe Valditara – und damit auch überregional in die Presse. Seitdem wird über den Fall landesweit gestritten und debattiert. Der Ex-Minister Giovanardi, einst zuständig für Beziehungen zum Parlament, erklärte, es handele sich um eine „absurde Situation“ und man bestrafe den 13-Jährigen rein aus „ideologischen Gründen“. Seine Forderung: Die Schule müsse sich einer Inspektion unterziehen und sicherstellen, dass Schüler selbstbestimmt Treppen begehen können. Die Schule dürfe nicht zu einem „Ort der Indoktrination“ werden. 

Andere Stimmen wie jene von Alberto Ruggin von der Organisation „+Europa“ indes stimmen der Schulleitung und der Lehrerin zu und erklärten, man könne „Integration nicht halbherzig machen.“ Die Debatte ist inzwischen in der Mitte der italienischen Gesellschaft angekommen: Was ist im Namen von Vielfalt und Akzeptanz erlaubt und wo sind die Grenzen? Was darf Schülern abverlangt werden und was nicht? Klar scheint bisher nur eines: Der Vorfall dürfte den europaweiten Trend verstärken und die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber der LGBTIQ+-Community weiter minimieren.  

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