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Angriffe in Bayern
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Angriffe in Bayern Fachstelle Strong! zieht nach fünf Jahren Bilanz und will verstärkt für queerfeindliche Gewalt sensibilisieren

ms - 13.05.2025 - 12:00 Uhr

Die LGBTIQ+-Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt Strong! in München hat heute Mittag ihre Statistik für 2024 veröffentlicht: Binnen eines Jahres stiegen die gemeldeten Fälle von Hasskriminalität bei der Einrichtung um 26 Prozent an. Strong! will zum fünfjährigen Jubiläum deswegen jetzt auch die Zusammenarbeit mit der Polizei weiter ausbauen.

Wenig Vertrauen in die Polizei 

Im Jahr 2024 verzeichnete Strong! insgesamt 289 Vorfälle – 59 mehr als noch im Vorjahr und sogar 130 Fälle mehr wie noch vor zwei Jahren. Wohlgemerkt sind das nur all jene Fälle, die der Fachstelle gemeldet worden sind, die tatsächlichen Zahlen dürften deutlich höher ausfallen – nach wie vor wird davon ausgegangen, dass rund 90 Prozent aller Übergriffe gar nicht erst publik werden. Annina E., Beraterin bei Strong!, dazu: „Die Betroffenen scheuen den Aufwand oder glauben, es bringt ohnehin nichts.“ Viele hätten außerdem zu wenig Vertrauen in die Polizei.

Im Wesentlichen handelt es sich bei den gemeldeten Fällen von Hasskriminalität um Beleidigungen, Bedrohungen und Alltagsdiskriminierung bis hin zu schwerer Körperverletzung und sexuellen Belästigungen. Die Zahlen der bayerischen Staatsregierung bestätigen dabei den Negativ-Trend, die 2024 insgesamt 177 angezeigte Straftaten verzeichneten. Auch hier der Hinweis auf die hohe Dunkelziffer. 

Klima gegen LGBTIQ+ nimmt

„Die queerfeindlichen Narrative der Extremisten und Populisten nicht nur in unserem Land, Hass und Hetze, insbesondere online, nähren den Boden für Ausgrenzung und Gewalt. Die Übergriffe auf LGBTIQ* nehmen seit Jahren zu (…) Das gesellschaftliche Klima gegenüber queeren Menschen ist aller Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte zum Trotz rauer geworden. Debatten werden mit viel Empörung geführt, schlagen oft in verbale Gewalt und mitunter in körperliche Angriffe um“, so Pressereferent Conrad Breyer. 

Fünf Jahre Strong!

Positiv zu vermerken ist, dass Strong! in diesem Jahr fünfjähriges Jubiläum feiert und gerade für viele Opfer zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden ist. In Zusammenarbeit mit dem bayerischen Innenministerium sowie der Polizei betreibt die Einrichtung ein Beratungstelefon. Dazu kommt eine Meldestelle speziell für Hate Speech, entstanden in Kooperation mit dem Justizministerium. „Die Zusammenarbeit mit dem Freistaat Bayern und den Behörden wollen wir vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen unbedingt ausbauen“, betont so auch Beraterin Leonie L..

Wo bleibt der Aktionsplan?

Das allein wird allerdings nicht ausreichen, um die Lage nachhaltig für LGBTIQ+-Menschen zu verbessern. „Es ist kaum abzuschätzen, wie sich die Situation für LGBTIQ* in naher Zukunft entwickeln wird. Inzwischen ziehen sich auch Verbündete der Community zurück, etwa Sponsoren bei CSDs in ganz Deutschland. Angesichts der Lage wünscht sich das Team von Strong! eine schnelle Implementierung des Aktionsplan Queer, den die bayerische Staatsregierung derzeit erarbeitet“, so Breyer weiter. Seit 2023 arbeitet das bayerische Sozialministerium an Ideen für geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass und Gewalt. Wann es wirklich konkret wird, ist offen. 

„Der Freistaat muss seiner Pflicht nachkommen, alle, auch queere Menschen in Bayern vor Diskriminierung und Gewalt zu schützen und sich für gleiche Rechte und Akzeptanz von Minderheiten einzusetzen! Wenn der politische Wille da ist, queere Lebensrealitäten zu akzeptieren, kann ein queerer Aktionsplan hierzu einen wertvollen Beitrag leisten.“ betont deswegen auch Dr. Kai Kundrath, Geschäftsführer im Schwul-Queeren Zentrum Sub. 

Dankbarkeit in der Community

Das Sub ist der Träger der Fachstelle Strong!, die heute von drei psychosozialen Beratern und Psychologen auf eineinhalb Stellen betreut wird. Strong! ist 2019 aus dem Anti-Gewalt-Projekt AGP hervorgegangen, 2020 erfolgte dann die Ausgestaltung der Beratungsstelle in seiner heutigen Form. Neben der direkten Hilfe für Betroffene ist ein wesentliches Ziel auch die bayernweite Sensibilisierung für queerfeindliche Gewalt. Beraterin Leonie L. dazu: „Jedes Mal, wenn wir Menschen beraten, im Freistaat neue Kooperationen eingehen, unser Netzwerk ausbauen, zeigt sich, dass wir gebraucht werden. Immer wieder hören wir: Hätte es euch nur früher schon gegeben!“

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