Leserumfrage Hast du schon mal in einem Porno mitgemischt?
Ich bin ein Pornodarsteller, benutze allerdings einen Künstlernamen sozusagen als Schutzschild, da ich im Privatleben noch einen anderen Beruf ausübe. Für mich geht es als Darsteller nicht um persönlichen Ruhm, sondern ich mache das, um herauszufinden, was ich alles mit meinem Körper im physischem Sinne leisten kann.
Ich habe lange Zeit in England gelebt und mich dort aus Einsamkeitsgründen vor der Handykamera ausprobiert. Dann habe ich – vielleicht auch durch Zufall – über die sozialen Medien eine Pornoproduktion kennen gelernt und weil es auf der zwischenmenschlichen Ebene stimmte, kam es zur Zusammenarbeit.
Anfangs war ich zögerlich, weil für mich auch der Filmpartner wichtig ist, da muss für mich die Chemie stimmen. Außerdem ist man anfangs unsicher, ob man auch gut genug ist. Nackt zu posieren, war für mich kein Problem, denn dafür hatte ich schon positive Reaktion bekommen. Sich pornografisch zu präsentieren ist allerdings körperlich sehr anstrengend: Man muss frei sein von Narzissmus, dem Regisseur vertrauen und seinen Anweisungen folgen und in der Lage sein, konstruktive Kritik anzunehmen,
Die Fähigkeit eine Erektion zu bekommen und zu halten, ist genauso ein Talent wie Musikalität oder mathematische Fähigkeiten. Jeder hat (s)eine Begabung und ich möchte meine nicht mittels chemischer Hilfsmittel manipulieren oder gar verlieren. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er arbeiten will.
Ich brauche auch keinen bestimmten Fetisch, der Fetisch eines Pornodarstellers ist der Voyeurismus: man will sich zeigen. Ob man dabei ein Accessoire benutzt, ist Beiwerk.
Man kann auch eine Beziehung führen: Treue und Loyalität ist nicht per se im sexuellen Akt zu sehen, es ist nur eine rein physikalische Sache. Porno ist eine Illusion und spiegelt nicht die Realität wieder.
Ben aus Heinsberg
Wozu braucht der Mensch Porno? Ich glaube, es ist eine Kanalisierung von unterschiedlichen emotionalen Bedürfnissen. Es fällt den Menschen einfacher, Dinge zu sehen, die visuell dargeboten werden, als die eigene Phantasie anzutreiben. Man muss weniger Energie aufbringen zur Masturbation. Ich möchte es nicht verteufeln, denn es kann durchaus hilfreich und sinnvoll sein. Es ist nur meist so, dass häufig ein Verhalten dadurch entsteht, das nicht mehr auf sozialen Kontakt fußt.
Pornografie hat sicher im queeren Bereich einen Grad der Akzeptanz erreicht, die er im heterosexuellen Bereich noch lange nicht hat. Das hängt sicher damit zusammen, da man sich im queeren Bereich viel stärker mit Sexualität ab der Pubertät auseinandersetzen muss - wir sind ja anderes als andere und gezwungen nach unserer Sexualität zu suchen. Da haben Heterosexuelle ein Privileg, dass sie nicht danach suchen müssen, sondern es von der Gesellschaft als Normalität gesetzt bekommen.
Zurück zum Porno, ich möchte dem Porno-User nicht den Traum nehmen, aber dass, was im Porno gezeigt wird, bezeichne ich als „Sex-Fiktion“. Es bildet nie die Realität ab, sondern ist darauf projiziert, visuell den Betrachter mit zu nehmen. Das sollte man immer reflektieren, denn bei Batman, weiß ja auch jeder, dass es Fiktion ist. Wenn man stattdessen glaubt, dass es so zu sein hat, gerät man schnell unter sexuellen Leistungsdruck und Versagensängste.
Ich selbst schaue Pornos auch, denn ich bin ja nach wie vor Mensch und nicht nur Sexualtherapeut. Ich muss aber sagen, durch meine Ausbildung und auch durch das Schauen von Pornos, hat sich meine gelebte Sexualität verbessert und erweitert. Ich weiß, was ich brauche, was mir guttut und kenne meine Grenzen besser. Und der beste Porno findet immer noch in meinem Kopf statt.
Hannes aus Berlin, Sexualtherapeut
Ich habe in keinem offiziellen Porno mitgemacht, allerdings habe ich im Privatbereich Erfahrungen auf diesem Gebiet. Man hat sich mit seinem F***-Body geeinigt, dass bei einem erotischen Zusammensein die Intimbeleuchtung durch Filmlicht ersetzt wird, dass eine oder mehrere Kameras laufen, die das Geschehen aufnehmen und dass man das Endprodukt nach Nachbearbeitung und Schnitt ins Netz stellt. Es gibt diverse Seiten, wo man den Film jederzeit runterladen oder auch löschen kann. Es sei denn, irgendein anderer lädt den Film herunter, dann hat man keinen Einfluss mehr darauf. Meine Filme kann man kostenlos ansehen. Es gibt zwar auch Seiten, bei denen man Geld verdienen kann, aber das ist nicht meine Intention. Ich mache das lediglich, um meine exhibitionistische Ader auszuleben und wenn ich mit meinen Filmen anderen eine Freude machen kann, ist das für mich okay. Ich weiß allerdings nicht, wer sich die Filme ansieht und bin auch noch nie darauf angesprochen worden.
Ich denke, das sexuelle Verhalten ändert sich durch Filmaufnahmen nicht. Ob man seine Lust für den Moment genießt oder mittels einer Kamera für die Ewigkeit festhält, spielt keine Rolle. Es sei denn, man hat sich vorher bewusst eine Rolle überlegt, die man spielen will. Man achtet vielleicht ein wenig mehr auf Licht und Stellung; aber man vermeidet den Blick in die Kamera.
Wie viele Filme ich schon gemacht habe, kann ich nicht sagen. Offiziell Pornostar wollte ich nicht sein, das wäre mir zu viel Druck. Bei meinen Filmen kann ich mit dem Partner meiner Wahl, wann immer das machen, worauf wir beide Bock haben.
Selbst schau ich gern Pornos und wenn ich mit dem Filmpartner meine Filme ansehe, drehen wir im Anschluss direkt einen neuen.
Jeremy aus Köln
Als ich anfing war ich Ende 30. Angefangen habe ich als Stripper, - hauptsächlich vor Frauen. Dann kam eine Anfrage aus den USA, ich plante alle Drehtermine und flog nach Amerika. Mein erster Drehtag war eine Dreier-Szene für Falcon. Ich war nicht aufgeregt, da ich ja schon als Stripper im Rampenlicht gestanden hatte. Ich habe dann in etwa 30 Filmen mitgemacht, die man teilweise heute noch googlen kann - für Falcon und Chi-Chi La Rue und in London für Man at Play gearbeitet. Ich selbst habe Pornos nie abgelehnt, nur damals war die Produktion eine andere. Es gab weder Internet noch kostenlose Pornoseiten. Heute wird schneller gedreht und leider weniger auf die Qualität geachtet.
Mittlerweile habe ich mit dem Kapitel abgeschlossen; arbeite heute als Produzent und Regisseur. Es ist aber schwierig, an gute Models zu kommen. Gutes Aussehen reicht nicht, man muss zuverlässig sein, echte Leistung bringen, natürlich über einen längeren Zeitraum einen Steifen halten und zum Schluss - egal ob als Top oder Bottom - zum Abschluss kommen. Eine bestimmte Größe von mindestens 18 cm sollte sein, damit die Pornokonsumenten etwas sehen, was sie zu Hause nicht haben.
Ich bekomme täglich Bewerbungen, leider sind nur 10% geeignet. Man darf nicht eingebildet sein und muss gute Arbeit abliefern. Viele Darsteller haben eine falsche Vorstellung. Ein Pornodreh ist ein harter Job für alle Beteiligten. Viele glauben, sie können mit Spaß Geld verdienen und haben dabei den besten Sex ihres Lebens. Dem ist nicht so; man macht den Film nicht für sich, sondern für die Zuschauer.
Seitdem es OnlyFans gibt, sind Pornos nicht mehr so in der Schmuddel-Ecke. Die Menschen haben eine offenere Einstellung dazu.
Nick aus Frankfurt, Regisseur
Im Freundeskreis nennt mich fast keiner mit meinem Rufnamen, sondern mit meinem Puppy-Namen Romeo. Pornos habe ich über das Internet entdeckt und hatte auch Freunde, die noch in „alten Zeiten“ in Pornos mitgemacht haben. Das waren ganz andere Zeiten.
Als ich meinen Fetisch und die Kinky-Welt entdeckt habe, habe ich irgendwann spontan bei zu viel Sekt gedacht: Es gibt so wenig guten Kinky- und Fetisch-Porn im Internet, warum macht man das nicht einfach selber. Mit zwei Freunden habe ich aus der Puppy-Comunity im Jahr 2020 die fixe Idee gehabt, ein Pornolabel zu gründen. Heute verbringe ich jede Menge Zeit hinter der Kamera und wenn es mal nötig ist, stehe ich auch schon mal vor der Kamera - nein nicht als Fluffer (Anbläser), seit Erfindung von Viagra braucht man die nicht mehr – sondern als aktiver und passiver Spieler.
Wir haben angefangen mit Pup-Playern zu arbeiten, was den Vorteil hatte, dass die Darsteller nicht ihr Gesicht zeigen mussten, um einmal in einem Porno mitzumachen. Das hat sich inzwischen geändert, denn zum Puppy gehört auch ein Herrchen und dieser hat gewöhnlich keine Maske auf. Ich finde spätestens seit OnlyFans ist der Porno aus der Schmuddel-Ecke rausgekommen. Wenn ich sehe wie viele sich dort oder auf Socials in Kinky oder Fetisch zeigen ist die Grenze zum Porno fließend geworden.
Der Pornomarkt hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Früher gab es die großen Labels, bei denen die Models angestellt waren. Es gab kaufbare Videos und DVDs mit 90 Spielminuten. Die Content-Creater stehen im Vordergrund und jeder kann sich ein eigenes Brand aufbauen und Darsteller werden. Heute zählt das Authentische und auch Stars gibt es immer noch.
Romeo aus Köln
Ich habe noch in keinem Porno mitgemacht, das würde ich auch nicht machen, weil ich glaube, dass ich dafür nicht gut genug aussehe. Da gibt es Hübschere, die ein größeres Beuteraster abdecken. Untenrum wäre es sicher vorstellbar, aber ich möchte mein Gesicht nicht dabei sehen. Das ließe mein Beruf auch nicht zu. Da müsste ich fürchten, berufliche Schwierigkeiten zu bekommen. Selbst wenn man mir für zehn Minuten eine Million bieten würde, ich würde ablehnen. Man muss natürlich wissen, drehe ich den Porno für mich und meinen Freund, dann wäre das vorstellbar, aber nicht für die Öffentlichkeit.
Jeder kann Pornos machen, der es möchte, auch wenn es Heteros in schwulen Filmen sind, die sich etwas dazuverdienen möchten. Früher gab es in Berlin CAZZO, da hat ja gefühlt, die ganze Szene von Berlin mitgespielt. Und jeder hat die Filme gesehen, die liefen ja in Bars und Clubs. Aber das muss jeder selbst wissen, wie er das mit dem Privatleben vereinbart und ob es den Werdegang negativ beeinflussen könnte. Sind die Filme einmal im Netz, werden diese nie wieder verschwinden. Das sollten vor allem junge Leute bedenken, die glauben dadurch fame zu werden oder die nur etwas Geld dazu verdienen wollen. 360 € für die ½ Stunde einen geblasen bekommen, ist verlockend, aber sind sie 45 Jahre und das Video taucht auf, könnte es schon in Schwierigkeiten geben, gerade bei den gegenwärtigen weltweiten Entwicklungen kann alles gegen einen verwendet werden.
Ich konsumiere aber auch Pornos, wenn sie gut gemacht sind. Ein guter Porno hat für mich Handlung, damit es bei mir etwas auslöst. Ich will nicht nur Ärsche und Schwänze sehen, sondern vor allem die knisternde Spannung zwischen den Akteuren spüren können.
Peter aus Hannover