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Cornelia Kost // © vvg
Rubrik

Leserumfrage Wie betrifft uns die Zeitenwende?

vvg - 11.05.2025 - 14:00 Uhr
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Wir sehen die Entwicklung in Russland und in den USA zunehmend seit der Trump-Regierung: In beiden Ländern werden queere Menschen verfolgt und erleben Repressionen. Die Reaktionen darauf ist sicherlich, dass die Menschen – und das trifft auch auf mich zu - erst einmal Angst bekommen und fragen, was da eigentlich passiert. In Deutschland sind wir erst gerade mit einem blauen Auge davongekommen. Die AfD ist im Osten sehr stark und wäre beinahe an der Regierung beteiligt gewesen, weil Herr Merz vor der Wahl ja deutlich machte, dass er mit ihr abstimmen würde. Ich erinnere an die bundesweite „5 vor 12 Aktion“. Es ist ganz wichtig, dass wir als Community sichtbar sind und uns auch wehren.

Ratsam ist, den Menschen zuzuhören, die solche Kämpfe sowie die Aidskrise miterlebt haben und zu fragen, wie sie die Zeiten damals gemeistert haben.

Was ich auch spannend finde und aus der schwarzen Community mitgenommen habe: Egal was Menschen gegen uns machen, es wird uns immer geben! Auch noch in 50 Jahren, egal, was man sich einfallen lässt und was mit uns persönlich passiert. Man kann keine Queernes wegpolitisieren oder ausrotten. Insofern wird es auch für uns eine Zukunft geben.

Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen. Dass das, was von der rechten Seite versucht wird, Schwule und Lesben vom Rest der Community zu trennen, nicht gelingt. Und dass wir miteinander reden und miteinander kämpfen.

In Hamburg ist die schwule Community vorangegangen und hat einen Riesenschritt in Richtung Lesben und geschlechtlicher Vielfalt gemacht und dies auch für alle erfahrbar gemacht. Das das in Hamburg funktioniert, muss man auch wertschätzen.
Cornelia Kost, Psychotherapeutin aus Hamburg

Fabian // © vvg

Mir macht die Zeitenwende vor allem Angst. Ich habe angefangen mich politisch zu engagieren in einem Bündnis vor Ort in Bottrop. Wenn wir die Zeitenwende betrachten, gibt es ja nicht nur die aktuelle Weltpolitik der grässlichen alten Männer, sondern auch die Parteienlandschaft innerhalb Deutschlands und da haben wir ebensolche grässlichen Kräfte. Ich habe versucht mich aktiv diesen Problemen zu stellen, weil ich Alpträume bekommen habe bei all den Vorstellungen der Zukunft, dass z.B. wieder Menschen deportiert werden. Es werden heute schon wieder Worte völlig ungehemmt ausgesprochen, die aus der Sprache der Nazis stammen. Ich bin über manche Wortwahl total schockiert. Ich habe Sprachen studiert bin deswegen besonders sensibel, was Sprache betrifft. Die Generation meiner Großeltern hat immer behauptet, sie wussten nichts von alledem, aber wir wissen es heute! Wir haben alles gelernt und trotzdem passiert es genauso wieder. Das macht mich wahnsinnig! Ich bin Jahrgang 1994 und musste nie zur Armee, konnte direkt mit der Ausbildung anfangen und habe es immer als gut empfunden, dass die Welt so vernünftig geworden schien. Jetzt ist die Wehrpflicht wieder in aller Munde, sogar von den Parteien, die meinen, links zu sein.

In der Comunity beobachte ich, dass sich manche nicht mehr als queer bezeichnen wollen, weil es ja bedeutete, dass man sich positionieren müsste und auch trans, inter oder non binär mit benennen und für diese Rechte kämpfen muss. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen – Leute die eh nur mitgezogen worden und die, die sich positionieren und ihrer Verantwortung stellen und für unsere Zukunft kämpfen.

Ich schaue heute eher pessimistisch in die Zukunft, versuche aber aktiv, dagegen zu arbeiten. Es geht uns doch gut, warum wollen Menschen, dass es uns allen schlechter geht?
Fabian aus Bottrop

Jens // © vvg

Die Zeitenwende betrifft mich persönlich als schwulen Mann, denn es sind Stimmen laut geworden, die meinen Lebensstil, meine Lebensart und –weise, meinen Lebensinhalt nicht nur anzweifeln, sondern angreifen. Meine friedliche Art zu leben, wie ich bin, machen diese Menschen zu etwas Politischem. Das finde ich auf der einen Seite frech, auf der anderen Seite nehme ich die politische Rolle meines Schwulseins auch gern an. Wir müssen laut sein, denn die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich durch ihren Umgang mit Minderheiten. Das betrifft nicht nur Homosexuelle oder Menschen aus dem queeren Spektrum, sondern ebenso Behinderte, Menschen mit Migrationshintergrund oder anderen Glaubensrichtungen.

Ich finde es ein schlechtes Bild, wenn in Deutschland Angriffe auf queere Menschen zunehmen, wenn Transmenschen die Selbstbestimmung über ihre Körper genommen wird. Da mag es Gesetze geben, aber es zählt für mich auch ihre Anerkennung durch die Gesellschaft.

Und beide Gruppen Betroffene und ihre Befürworter sowie die Gegner treten sich immer feindseliger gegenüber. Ich beobachte in meiner Bubble, dass queere Menschen selbstbewusster werden und gesehen werden wollen. Es gibt eine Starke Individualisierung einzelner Gruppen innerhalb der Comunity und wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zersplittern oder auch teilen lassen, durch unsere Feinde.

Es ist en Vogue ungefragt und anonym seine Meinung kund zu tun, was soziale Netzwerke sehr leicht ermöglichen. Mögen auch vielleicht einige Trolle darunter sein, jeder Kommentar, jeder gequirlte Mist aus Hass, Aggression und Dummheit prägt die öffentliche Meinung.

Der aktuelle Zeitgeist ist sehr gefährlich, da man zu fast allen Nachrichten und Information auf dieser Welt, ob wahr oder erlogen, Zugriff hat. Vielen Menschen fehlt der innere Filter mit diesen Informationen kritisch umzugehen. Nicht die Welt wird schlechter, sondern ihre gemeldeten Nachrichten.
Jens aus Aachen 

Niklas // © vvg

Erst einmal sehe ich, dass wir in Deutschland was das Institutionelle angeht, noch ziemlich gut dran sind. Aber natürlich nimmt man das als sehr bedrohlich wahr, wenn Länder, die bisher unsere Partner waren, plötzlich einen Anti-LGBTQ-Kurs fahren. Das, was Trump macht ist ja nicht mal irgendeine Spielerei, sondern er geht aktiv gegen unsere Rechte an und verbindet das mit der neuen Identität Amerikas. Diese Feindseligkeit die da in Amerika aufkommt auf institutioneller Ebene, ist auch die die das Klima im Land vergiftet. Das so schnell so eine Feindseligkeit aufkommen kann, macht mir schon Angst. Und die Anzeichen, dass es auch hier in Europa passieren kann, sind da, man beobachte nur die Orientierung ach rechts. Leute trauen sich inzwischen, nicht mehr nur im Internet, sondern auch auf offener Straße ihren Hass auszubreiten und das auch mit körperlicher Gewalt. Das erinnert mich an Zeiten, von denen ich dachte, dass sie niemals wiederkommen.  Ich habe die Furcht, aus der queeren Position gesprochen, aber für die gesamte Gesellschaft: Keiner von uns hat erlebt, wie es damals gewesen ist, aber wir sollten uns echt nicht in Sicherheit wiegen und unvorsichtig sein.

Die Comunity ist heute so sichtbar, wie sie nie zuvor war, ist dadurch aber auch bedroht. Beispiel Ungarn: Der Präsident verbietet CSD-Demos und droht mittels Gesichtserkennung den Menschen, die sich nicht daran halten mit Strafverfolgung. Minderheiten geraten wieder ins Visier der Demokratiefeinde. Das erzeugt eine Unsichtbarkeit der Minderheiten aus Angst, aber auch den Trotz – jetzt erst recht!

Der Kampf der Kulturen hat begonnen und wir sind schon mittendrin, wenn es darum geht, wem welche Menschenrechte zu- oder abgesprochen werden. Ich hoffe, wir sind darauf vorbereitet.
Niklas aus Köln

Prosper // © vvg

In den letzten fünf Jahren haben wir viel erlebt: eine weltweite Epidemie mit massiven Eingriffen in unsere Leben und Millionen von Toten, zum ersten Mal seit fast 80 Jahren einen Angriffskrieg in Europa, Putins brutale Herrschaft in Russland, Trump in den USA, der das seit 80 Jahren bestehende transatlantische Bündnis aufkündigt und einen Zoll- und Handelskrieg mit dem Rest der Welt anfängt. Und hier im Land den Aufstieg einer rechtsradikalen Front, die von jeder und jedem fünften Deutschen unterstützt wird. Und dazu eine schlechte wirtschaftliche Lage im Land. Und es trifft die queeren Menschen umso härter.

Wir erleben zurzeit einen massiven Rückgang der LGBT* Rechte. In Afrika werden queere Menschen in vielen Ländern verfolgt und umgebracht. In USA wird Transsexualität in verschiedenen Lebensbereichen verboten und verfolgt. In Russland ist das Leben queerer Menschen nicht mehr sicher. In Ungarn verbietet das Parlament den CSD in Budapest. Und in Deutschland singt die Lesbe Alice Weidel Loblieder auf heterosexuelle Ehen, während Herr Merz und seine CDU/CSU das Rad der Geschichte zurückdrehen und das Selbstbestimmungsgesetz aufheben wollen.

Da bekommt man richtig Angst. Es ist nicht nur die Angst um das eigene Leben und die eigene Lebensgestaltung, auch die Angst vor Krieg, rechtsradikaler Diktatur, die Angst um Freunde und Bekannte, die Angst vor der Vernichtung unserer Lebensweise. Panik, Schicksalsergebenheit, Jammern, Rückzug ins Private, Nichtstun – das bringt alles nichts. Wir müssen uns der Realität stellen, unseren Mund in allen Situationen aufmachen. Wir müssen die Dinge beurteilen, loben, kritisieren, verurteilen. Wir müssen Forderungen aufstellen und für eine freie, liberale, tolerante, offene Gesellschaft kämpfen. Und das bedeutet auch, Geld und Zeit zu investieren! Wenn wir es nicht tun, wer soll es denn tun?
Prosper aus Berlin, Ministerialdirigent beim Deutschen Bundestag 

René // © vvg

Durch die sogenannte Zeitenwende sind viele Themen relevant, bei denen sich etwas verändert hat. Das Klima zwischen den Menschen ist rauer geworden besonderes gegen Minderheiten. Der Kulturkampf schwappt nach Europa und von daher wird es nicht schöner werden, was unsere Akzeptanz und unsere Rechte betrifft. Von daher müssen wir dagegen arbeiten, aufklären und auch für unsere Rechte kämpfen!

Albert Einstein hat einmal gesagt: „Es gibt zwei Dinge, die sind unendlich. Das Universum und die menschliche Dummheit. Beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.“ Dieses Zitat trifft leider immer zu und heute umso mehr, da sich Geschichte zu wiederholen droht.

Es sind gefährliche Strategen am Werk, die alles abstreiten, neue „Wahrheiten“ erfinden und definieren und alles andere zu Fake erklären. So wischen sie alle Kritikpunkte vom Tisch. Man rennt gegen Wände und Menschen sperren sich, in irgendeiner Art einsichtig zu sein.

Für mich bedeutet die Zeitenwende, dass ich heute viel hinterfrage. Aber ich habe noch keine Ängste, nur so ein mulmiges Gefühl.

Mein Auftreten hat sich nicht verändert, ich stehe weiterhin offen dazu, dass ich schwul bin, bewege mich aber auch in entsprechenden Kreisen, wo ich keine Probleme befürchte. Da haben es Andere schwerer - ich denke vor allem an Trans-Menschen. Sie stehen heute da, wo wir Schwule vor 40 Jahren standen – in Bezug auf Akzeptanz, Kampf für ihre Rechte und gesellschaftliche Anerkennung. Bei Trans-Personen besteht zuerst die Gefahr, dass ihre Rechte wieder beschnitten werden. Ich brauch da nur nach Amerika zu schauen, wo die Trump-Administration extrem gegen Minderheitenrechte agiert. Viele Firmen z.B. - auch die amerikanische Telekom, haben ihre Diversitätsprogramme eingestellt. Auch da müssen wir wachsam bleiben. Noch habe ich keine Angst, aber wer weiß wie lange …
René aus Neuss 

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