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Der schwule Nachbar
Rubrik

Der schwule Nachbar Woran erkennen wir ihn? Hilfestellung für Heterosexuelle!

ms - 29.05.2025 - 14:00 Uhr
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„Und sie sind ein Paar, ja, keine Wohngemeinschaft, oder?“ Mit kritischem Blick begutachtet uns die kalt lächelnde Maklerin und ich höre mich verbal zurückversetzt in meine Kindheit halblaut und schüchtern eine Bestätigung stammeln. Erwartet sie Beweise? Müssen wir uns küssen? Oder mehr? 

Erst im zweiten Anlauf gelingt es mir dann, auf Augenhöhe klarzustellen, dass mein Mann und ich ein Paar sind, ein schwules Männerpaar, das sehr gerne die neuen Mieter dieser Wohnung wären. Das Gesicht der Maklerin verändert sich von einer Sekunde auf die andere, wird wärmer, strahlt und ein breites Lächeln gewinnt die Oberhand, bevor sie freudig erklärt: „Wunderbar!“. Zwei Tage später kam trotz mehreren hundert Bewerbern die Zusage für die Wohnung.

Schwule als beliebte Mieter

Seitdem ich im Freundeskreis diese kleine Anekdote über unseren Umzug erzähle, schwören alle in meinem Umkreis erneut darauf, dass schwule Männer einfach die beliebtesten Mieter sind, die Premium-Dink-Variante sozusagen: Double Income, No Kids und schwul. Dazu noch: Zwei Herren mittleren Alters, eher gemütlich, ein Hang für nächtelange Party-Orgien mit lauten Techno-Beats ist kaum glaubwürdig – und entspricht auch nicht der Realität. Da sind sie also, die perfekten Mieter: Gesittet, schwul, doppeltes Einkommen und keine Kinder, bestenfalls ein Dackel als Haustier. 

Wie sehr diese Konstellation auch Makler begeistert, versicherte mir kurz darauf eine gute Freundin, die jahrelang selbst in der Branche gearbeitet hatte. Wir sind also nicht nur Premium, wir sind die Deluxe-Mieterklasse mit Sternchen und Regenbogen. Dabei sagte sie mir auch, dass man den meisten Schwulen ja sowieso inzwischen ansehe, dass sie gleichgeschlechtlich unterwegs sind. Das gab mir solange zu denken, bis mich die ersten Nachbarn im vierstöckigen Mehrfamilienhaus begrüßten – und kurzerhand auch meinen Partner grüßen ließen. Sie hatten uns beide unabhängig voneinander erstmals getroffen und sofort war jung wie alt klar, dass sind zwei schwule Herren.  

Woran erkennt man den schwulen Nachbarn?

Man erkenne als Nachbar doch schnell, dass in der Nebenwohnung zwei schwule Männer wohnen, bestätigte wiederum meine gute Freundin. Ist das wirklich so? Und was sind die untrüglichen Indizien? Bei lesbischen Frauen sei die Sachlage sogar noch einfach, so die Freundin weiter: Zwei alleinstehende Frauen mit Hund. Alles klar. Und bei schwulen Männern? Auf was müssen Heterosexuelle achten und warum gibt es noch nicht den ultimativen Lebensratgeber: Erkenne deine schwulen Nachbarn. Diese Service-Lücke muss gefüllt werden! Ein erstes Indiz ist Musik. 

Es gibt Interpreten, die heterosexuelle Kerle zumeist nur unter Androhung von Gewalt hören und selbst dann würden sie noch nachfragen, ob Zehennägel-Ausreißen nicht doch weniger schmerzvoll ist, als stundenlang ABBA zu hören. Andere musikalische Hinweise sind Songs von Madonna, George Michael oder auch Lady Gaga und Kylie Minogue. Eine hundertprozentige Trefferquote verspricht auch Troye Sivan. Ein befreundeter Postbote von mir erklärte, Schwule seien die einzigen Menschen, die auch gerne mal selbstbewusst nur in kurzer, enger Hose oder direkt in der Unterhose die Tür öffnen würden, um ein Paket entgegenzunehmen. Sushi-Lieferdienste seien ebenso ein gutes Indiz. Dazu fehlt in der Regel natürlich das Geschrei von Kindern – wenigstens in den meisten schwulen Partnerschaften. Sollten dennoch einmal geschriene Laute oder Wortfetzen wie „Oh Daddy!“ nach draußen dringen, verstärken sich die Hinweise. 

Pflanzen und Haustiere

Im Bereich Sexualität lässt sich offenbar sogar die sexuelle Präferenz erahnen – kurz gesagt, je mehr Pflanzen in allen Formen und Größen die Wohnung zu bieten hat, desto mehr habe man es mit einem Bottom-Boy zu tun, so der Postbote weiter. Bei schwulen Paaren bleibt die Leidenschaft für das ausgefallene Grün erhalten, auch wenn der nicht-pflanzenaffine Part diese nicht teilt. „Selbst mit Jogginghose auf dem Weg zum Briefkasten sehen schwule Jungs noch besser aus als der durchschnittliche Hetero“, betonte dann meine gute Freundin weiter. Sofern erlaubt, ist auch ein Hund oder eine Katze ein starkes Zeichen für einen schwulen Haushalt, vor allem dann, wenn der Vierbeiner einen ausgefallenen Namen hat, wahrnehmbar das Sagen im Haushalt hat oder auch gerne einmal, beispielsweise als Dackel, mit wärmendem Überzug das Haus verlässt. 

Schwule Männer sind wohl auch öfters in Urlaub und gerne einmal für zwei Wochen kurz weg. „Beim Plausch mit einer Nachbarin schauen Schwule auf die Augen und ins Gesicht, selten woanders hin“, sagte meine Freundin überdies. Dazu kommen mitunter Regenbogenfahnen an den Balkonen, obwohl das schon nicht mehr unter dezente Merkmale fallen dürfte. Ebenso gutes und sauberes Schuhwerk wie generell Reinlichkeit seien ebenso fast klischeehaft ein Anzeichen – gerade in Baden-Württemberg sind schwule Paare auch deswegen bis heute extrem beliebt, weil sie die Kehrwoche im Hausflur tatsächlich gewissenhaft betreiben, eine Seltenheit ansonsten inzwischen in Süddeutschland. Spätestens hier werden wir allein dadurch zu Miet-Götter, nach denen sich immer mehr Vermieter alle Finger nach abschlecken. Im Grunde aber sind schwule Nachbarn natürlich wie alle anderen auch, oder? Nun gut, nur eben besser.

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